Die Reaktion sei nahe liegend, in schwierigen Zeiten als klassische Bank nach Stellschrauben zur Kostenminimierung zu suchen und das auch zu müssen. Doch die scheinbar naheliegende Lösung, betrachte man den Erfolg der Direktbanken mit weniger Mitarbeitern und somit weniger Personalkosten, sei ein Irrweg. Diese Strategie genüge vielleicht, um eine Durststrecke zu überstehen, bis das Zinsniveau wieder steigt. Viel wahrscheinlicher sei jedoch, dass die Filialbanken sich auf diesem Weg in den Ruin sparen. Roman Becker: „Wenn ein Kunde sich im heutigen Internetzeitalter gegen eine Direktbank und somit für eine Betreuung in der Filiale entscheidet, macht er das nicht ohne Grund. Was der Kunde in erster Linie sucht, ist ein persönlicher Ansprechpartner, der ihn bei Aufgaben wie Überweisung und Kontoservice entlastet und bei Fragen Auskunft geben kann“. Gefährlich werde es, wenn Unternehmen diese zentralen Bedürfnisse ihrer Kunden nicht mehr bedienen. „Wenn Filialbanken zukünftig Geschäftsstellen abbauen und Mitarbeiter durch Automaten ersetzen, berauben sie sich des letzten Unterschieds zu den Direktbanken. Statt ihre Stärken zu stärken, stutzen sie ihre Leistungen in entscheidenden Bereichen zurück“, fasst Becker das Dilemma zusammen.
Er beruft sich dabei auf das Fan-Prinzip, das die Mechanismen von Fanbeziehungen in Sport, Unterhaltung und Kultur auf die Beziehungen von Unternehmen überträgt und so messbar macht. Demnach könne jedes Unternehmen treue und loyale Fans haben, wenn es ihm gelinge, eine gefühlte Einzigartigkeit im Kopf des Kunden zu erzeugen. Dafür müsse es ein klar vom Wettbewerb differenziertes Profil aufbauen.
Roman Becker, der ein viel beachtetes Management-Buch zum Fan-Prinzip vorgelegt hat, rät Banken dagegen zu mehr Mut: „Statt Personal zu entlassen, sollten Filialbanken ihre Zusatzleistungen bepreisen.“ Das klingt zunächst gewagt und den Kunden gegenüber weniger charmant als der Stellenabbau, aber: „Aus unserer Fanforschung wissen wir, dass zufriedene und emotional gebundene Kunden, die Fans, gerne bereit sind, den Mehrwert, den sie in der Erfüllung ihres Kundenbedürfnisses sehen, auch zu zahlen.“
Kunden, die auf Grund der kostenpflichtigen Zusatzleistungen zur Konkurrenz abwandern, sollte eine Bank freiwillig ziehen lassen. „Diese sogenannten ‚Söldnerkunden‘, die zwar zufrieden sind, aber nicht emotional gebunden, ständig auf der Jagd nach dem günstigsten Angebot, haben für Banken ohnehin einen sehr geringen Kundenwert“, ermutigt Becker, der die aktuelle Lage als Chance für eine bewusste und erfolgversprechende Ausrichtung der Filialbanken am Bedürfnis ihrer Kunden versteht.