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Widerruf Immobilienkredite: Zahlreiche Darlehensverträge ab Mitte 2010 sind weiterhin widerruflich!

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Die weit überwiegende Anzahl der Widerrufsbelehrungen in Altverträgen, die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen worden sind, ist bekanntermaßen fehlerhaft. Auch neuere Verträge mit sogenannten Widerrufsinformationen erfüllen oftmals nicht die gesetzlichen Voraussetzungen und können daher auch heute noch wirksam widerrufen werden.

„Eine sorgfältige Prüfung der Vertragsunterlagen lohnt sich daher weiterhin“, empfehlen Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert, Partner der im Bank- und Kapitalanlagerecht tätigen Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte aus Nürnberg.

Bei älteren Verträgen kann das Widerrufsrecht bereits erloschen sein, wobei Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB nicht etwa pauschal für sämtliche Immobilienkredite, sondern nur unter bestimmten und im jeweiligen Einzelfall zu prüfenden Voraussetzungen gilt. Bei Neuverträgen seit dem 11.06.2010 greift die Erlöschensvorschrift jedenfalls unzweifelhaft nicht. „Jeder Verbraucher kann seinen Vertrag daher auch heute noch wirksam widerrufen, falls die Bank die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten hat“, stellt Rechtsanwalt Dr. Hoffmann klar.
Die Widerrufsbelehrung wurde Mitte 2010 durch die Widerrufsinformation ersetzt. Obwohl der Gesetzgeber den Banken erneut ein Muster an die Hand gegeben hat, finden sich bereits dort teils erhebliche Fehler. Hierbei ist der Text der konkreten Widerrufsinformation „Wort für Wort“ mit dem jeweils gültigen Muster und unter Berücksichtigung der Gestaltungshinweise abzugleichen. „Es stellt sich oft heraus, dass zwingend aufzunehmende Hinweise fehlen oder aber auch überflüssige und damit falsche Angaben gemacht werden“, weiß Rechtsanwalt Göpfert aus der Praxis zu berichten.

Bei einigen Kreditinstituten wird nach den genannten „Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB“ als Beispiel in dem Klammerzusatz unter anderem die „zuständige Aufsichtsbehörde“ genannt. In einem gegen eine Sparkasse ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, wurde bereits festgestellt, dass der Widerruf in diesen Fällen wirksam erklärt werden kann. Nach einer jüngeren Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 28.03.2017, 17 U 58/16, kann sich die Bank auch nicht darauf berufen, die Aufsichtsbehörde in dem sogenannten Europäischen Standardisierten Merkblatt bezeichnet zu haben. Rechtsanwalt Göpfert ergänzt: „Noch gravierender ist der Mangel bei einigen Widerrufsinformationen der ING-DiBa. Hier ist von einer „für den Darlehensnehmer zuständigen Aufsichtsbehörde“ die Rede. Eine solche gibt es aber nicht.“

Nach den Erfahrungen der Nürnberger Rechtsanwälte werden dem Verbraucher in den umfangreichen Vertragsunterlagen teils auch unterschiedliche und inhaltlich voneinander abweichende Widerrufsbelehrungen bzw. Widerrufsinformationen erteilt. So finden sich beispielsweise in einigen Vertragswerken der Sparda-Bank oder auch der ING-DiBa derartige widersprüchliche „Mehrfachbelehrungen“. Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es im Falle des Widerspruchs von zwei Belehrungen insgesamt an einer wirksamen Belehrung. Denn der Verbraucher weiß nicht, was denn nun gilt. „Auch deshalb müssen die vollständigen Vertragsunterlagen sorgfältig geprüft werden“, rät Rechtsanwalt Dr. Hoffmann.

Entgegen einer verbreiteten Meinung kommt es nicht nur auf die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation an sich an. Darüber hinaus müssen dem Darlehensnehmer auch zahlreiche, weitere Angaben zur Verfügung gestellt werden. Der durch die Bank einzuhaltende Pflichtenkatalog ist ebenso lang wie streng. Wenn die im jeweiligen Einzelfall erforderlichen Pflichtangaben nicht vollständig genannt werden oder fehlerhaft sind, beginnt die Widerrufsfrist bereits nicht zu laufen. Der Vertrag kann damit auch heute noch wirksam widerrufen werden.
Es zeigt sich also, dass es auch bei Kreditverträgen ab Mitte 2010 zahlreiche Fehlerquellen gibt. Darlehensnehmer sollten ihre Finanzierungen daher weiterhin durch einen auf dem Gebiet des Bankrechts fachkundigen Rechtsanwalt sorgfältig prüfen lassen.

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